Nachruf auf The incredible Hagen Liebing

Foto © 1987 Fryderyk Gabo

Der Verein für Suurbier-Kultur und Handwerk e.V., trauert um einen ehrlichen Kommentator und fundierten Kenner der lokalen und internationalen Musikszene.
„The incredible“ Hagen Liebing ist am 25.09.2016 im Alter von 55 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit verstorben.

Februar 2014.
Hagen Liebings kritischer wie anerkennender Nachruf auf Cäpt’n Suurbier im tip Berlin ist das Erste überhaupt, was in den Weiten des Netzes über den tragischen Tod von Michael Wahler zu lesen ist.

Hagen war zuletzt jahrelanger leitender Musikredakteur bei eben jenem tip Berlin und davor unter anderem beim Berliner Tagesspiegel tätig. Ja, Musikjournalist, das war definitiv die Berufung des Musik-Nerds Hagen F. Liebing!
Doch noch vor seiner Karriere als Schreiberling war da diese Sache mit dem selber Musizieren: Nach einigen Jahren als Mitglied von kleineren Szene-Bands wie Popgruppe Freundschaft oder The Nirvana Devils übernahm Hagen im Herbst 1986 den Posten als neuer Bassist bei Die Ärzte.
Mit deren Gründungsmitgliedern Farin Urlaub und Bela B. durchlebte Hagen in den kommenden 3 Jahren die bis heute vermutlich aufregendste Zeit der Band: Innerhalb kürzester Zeit mutierten Die Ärzte vom Szene-Insider zu nationalen Pop-Stars – inklusive schreienden Mädchen und zahlreichen Fernsehauftritten – und zeitgleich zur bei Eltern und Sittenwächtern gefürchteten Skandalband, begleitet von einer bis heute beispiellosen Zensur-Hatz. 1988 verabschiedete sich die Band auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Karriere mit einem legendären, riesigen Konzert in Westerland auf Sylt. Hagens mathematische Live-Ansagen zum Ärzte-Stück „2000 Mädchen“ genießen unter Fans bis heute absoluten Kultstatus: „Wie viel sind 1000 Mädchen plus 1000 Mädchen?“.
Obwohl Hagen seit der Reunion 1993 nicht mehr Teil von Die Ärzte ist, stand er bei deren Feierlichkeiten zu „15 Jahren netto“ auf dem Keuzberger Mariannenplatz im Sommer 2002 nochmals unter dem Jubel von 35.000 Fans mit seinen alten Weggefährten auf der Bühne.

Trotzdem schienen die Jahre als Teil der „besten Band der Welt“ für Hagen oft kein großes Thema zu sein. Sprachen Fans ihn später auf seine Bandvergangenheit an, so nahm der „stille, fünfte Arzt“ sich immer die Zeit und gab bereitwillig Auskunft auf alle Fragen – jedoch immer auf Augenhöhe und niemals mit Starallüren gespickt.
Dass Hagen schon zu seiner aktiven Bandzeit bodenständig war, zeigte sich als ihm sein damaliges Studium wichtiger war und er trotz Bela B.s berühmtem Anruf, „Hagen, willst du Popstar werden?“, freiwillig darauf verzichtete festes ein Bandmitglied zu werden, sondern sich mit einer Festanstellung als Bassist begnügte.

Noch in seiner 2003 erschienenen Biografie „Meine Jahre mit Die Ärzte“ bezeichnete Hagen die Suurbiers anerkennend als „die Mutter aller Fun-Punk-Bands“.
Wir bezeichnen ihn dankbar als den bescheidensten Rockstar Berlins.

Mindestens 2000 Mädchen weinen um Dich. Mach’s gut, Hagen!

Verein für Suurbier-Kultur und Handwerk e.V.
28.09.2016